Säulen oder Balken – ist das eine Geschmackssache? Vorsicht: Wenn Du die antrainierte Erwartungshaltung unseres Gehirns ignorierst, verliert Dein Diagramm an Kraft. Lerne darum hier die goldene Regel, die den Unterschied macht – und auch, wann Du sie bewusst brechen könntest. Starten wir damit, was die beiden Diagrammtypen fundamental unterscheidet.
Du weißt schon, was Du brauchst und willst direkt loslegen? Hier geht es zu den Tools:
Der Unterschied ist schnell erklärt: Ein Säulendiagramm stellt Daten als vertikale Säulen dar. (Eine einfache Eselsbrücke: Denk an die antiken Säulen Griechenlands, die ebenfalls vertikal stehen) Die Kategorien (z.B. "Januar", "Februar") stehen auf der horizontalen X-Achse. Die Werte (z.B. "Umsatz") werden auf der vertikalen Y-Achse abgetragen.
Ein Balkendiagramm ist im Grunde ein um 90 Grad gedrehtes Säulendiagramm. Es stellt Daten als horizontale Balken dar. Die Kategorien (z.B. "Deutschland", "Frankreich") stehen auf der vertikalen Y-Achse. Die Werte (z.B. "Einwohner") werden auf der horizontalen X-Achse abgetragen.
Warum aber sind diese beiden Diagramme überhaupt so effektiv? Der Pionier der Informationsvisualisierung, Jacques Bertin, hat dies wissenschaftlich nachgewiesen. Seine Forschung zeigt: Die präziseste und schnellste Art, wie unser Gehirn Daten vergleichen kann, ist der Vergleich von Längen an einer gemeinsamen Grundlinie (also der Startlinie bei Null).
Sowohl Säulen als auch Balken nutzen exakt diese Superkraft unseres Gehirns. Aber dennoch haben sie unterschiedliche Stärken, und wann Du welches nimmst, ist erstmal keine Design-Frage, sondern hängt von Deinen Daten ab.
Klares Ziel: Du willst eine Entwicklung über die Zeit darstellen.
Das Säulendiagramm ist das Standardwerkzeug für Zeitreihen mit gleichmäßigen Intervallen.
Klassische Beispiele:
Warum? Ein Säulendiagramm bedient zwei fundamentale Erwartungshaltungen unseres Gehirns gleichzeitig:
Ein Diagramm, das beide intuitiven Achsen – Zeit von links nach rechts und Wert von unten nach oben – korrekt bedient, wird vom Gehirn sofort und ohne mentale Anstrengung verstanden.
Nachteil des Säulendiagramms (Die Achsen-Grenze): Der Platz auf der X-Achse ist begrenzt. Das funktioniert bei Zeitreihen oft nur deshalb gut, weil die Beschriftungen (z.B. "Jan", "Feb", "Q1") gängig und kurz sind oder sich leicht abkürzen lassen. Sobald Du aber mehr als 12 Säulen (z.B. 24 Monate) darstellen willst oder längere Zeitangaben hast, wird es schnell zu einer unleserlichen "Tapete" aus dünnen Strichen.
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Klares Ziel: Du willst diskrete Kategorien vergleichen oder ein Ranking zeigen.
Aber was genau ist eine "Kategorie"? Eine Kategorie ist ein Label für eine Gruppe, ein "Ding" oder ein "Segment". Bei Rechner.Club verwenden wir auch die Bezeichnung "Positionen". Am fassbarsten wird es, wenn Du an Dein Tabellenkalkulationsprogramm denkst: Wenn Du dort ein Diagramm erstellst und nach den "Achsenbeschriftungen" (manchmal auch "Rubriken" genannt) für eine Achse gefragt wirst, sind genau diese Kategorien gemeint.
Es ist also nicht der Titel der gesamten Achse (z.B. "Länder"), sondern die Liste der einzelnen Text-Labels an der Achse (z.B. "Deutschland", "Frankreich", "Spanien"). Der statistische Fachbegriff dafür ist "kategoriale Daten" (im Gegensatz zu quantitativen Daten/Zahlen).
Vielleicht hast Du auch richtig beobachtet: Oft lässt man den übergeordneten Achsen-Titel (wie "Länder") bei Balkendiagrammen bewusst weg. Warum? Weil der Diagramm-Titel (z.B. "Umsatz pro Land") und die selbsterklärenden Beschriftungen ("Deutschland"...) bereits alle nötigen Infos liefern und ein zusätzlicher Titel das Diagramm nur überladen würde.
Der wichtigste Unterschied zur Zeit-Achse ist aber: Kategorien haben keine feste, logische Reihenfolge. Während "Februar" immer nach "Januar" kommt, ist die Anordnung von "Deutschland", "Frankreich" und "Spanien" nicht in Stein gemeißelt. Diese Flexibilität ist eine strategische Superkraft, denn Du entscheidest, wie die Daten interpretiert werden sollen (mehr dazu im nächsten Abschnitt)
Ein Balkendiagramm ist also immer dann die richtige Wahl, wenn auf Deine Achse qualitative Bezeichnungen, die Kategorien, tragen soll, statt aus Zeitpunkten oder Zeitintervallen (Daten, Monate, Jahre, Quartale) zu bestehen.
Hier sind klassische Anwendungsfälle für Balkendiagramme:
Warum? Der unschlagbare Vorteil der Lesbarkeit. Lange Kategorienamen ("Forschung & Entwicklung", "Baden-Württemberg", "Produktname XYZ-Ultra") sind auf der vertikalen Y-Achse sauber von links nach rechts lesbar. Bei einem Säulendiagramm müssten sie senkrecht oder diagonal gequetscht werden – ein Albtraum für die Lesbarkeit.
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Wie im vorigen Abschnitt angedeutet, ist die Sortierung Deine wichtigste inhaltliche Entscheidung, sobald Du mit Kategorien (und damit Balkendiagrammen) arbeitest. Sie ändert die gesamte Aussage Deines Diagramms.
Ein weiterer Vorteil des Balkendiagramms, speziell auf Webseiten: Es skaliert nach unten. Du kannst problemlos 20, 50 oder 100 Kategorien darstellen. Der Nutzer kann einfach nach unten scrollen, um die Liste zu erkunden.
Das ist besonders mächtig, wenn Du ein "Nachschlagewerk" (wie oben beschrieben) anbietest. Du kannst das Diagramm visuell "abschneiden" und in einen scrollbaren Container legen. Zwar kann man auch Säulendiagramme horizontal scrollbar machen (z.B. bei Aktien-Charts), aber man verliert den kognitiven Vorteil: Man sieht nie den gesamten Trend auf einen Blick. Das vertikale Scrollen einer Kategorie-Liste fühlt sich hingegen natürlich an.
Manchmal greift die Regel nicht klar. Was ist, wenn Du Kategorien mit kurzen Namen hast (z.B. 5 Produkte: "A", "B", "C")? Hier könntest Du auch ein Säulendiagramm verwenden, ohne die Lesbarkeit zu verletzen. In diesem Fall ist es tatsächlich am ehesten eine Design-Entscheidung. Als Faustregel bleibt das Balkendiagramm aber auch hier oft überlegen, da es die "Ranking"-Idee (von oben nach unten) klarer transportiert als die "Wachstums"-Metapher (unten-oben) der Säule.
Das Gleiche gilt, wenn Du die Regeln bewusst brichst, wie im Abschnitt zum Smartphone-Tipp angedeutet: Der entscheidende Punkt ist, dass Du es mit Absicht tust und die Konsequenzen (z.B. eine unnatürliche Zeitachse) kennst.
Wir sind mit der Frage gestartet, ob die Wahl zwischen Säulen und Balken reine Geschmackssache ist. Die Antwort ist meist ein klares Nein. Wenn Du die "goldene Regel" – die antrainierte Erwartungshaltung unseres Gehirns – ignorierst, verliert Dein Diagramm sofort an Überzeugungskraft.
Halte Dich einfach an diesen Test, um die Logik Deiner Daten zu unterstützen:
Mit dieser einfachen Entscheidungshilfe verwirrst Du Dein Publikum nicht, sondern überzeugst es – und Deine Diagramme gewinnen an Kraft, statt sie zu verlieren.
Alle Angaben und Berechnungen ohne Gewähr.